Gebannt hat unsere Volontärin Paula am Mittwochvormittag ins TV-Gerät des Gedankenturms geschaut. Da wurde mit Olaf Scholz doch tatsächlich ein neuer Bundeskanzler vereidigt. Ein Ereignis, das zuletzt vor 16 Jahren geschah. Da war Paula fünf Jahre alt. Deshalb war es nun für die junge Kollegin die erste Inthronisierung in Deutschland, die sie bewusst verfolgte. Das scheint ihr gut gefallen zu haben. Jedenfalls steht seitdem ihr Entschluss fest: „In acht Jahren möchte ich gerne die Kanzlerin sein“, sagte sie mit ernstem Blick zu ihren beiden Chefs.

Von Steffen Reith

Vielleicht geht es ihr um Macht, die sie im Gedankenturm bei Bensing & Reith halt nicht hat. Vielleicht geht es ihr um Geld. Wobei sie bei uns tatsächlich schon hammermäßig verdient. Vielleicht geht es ihr um eine berufliche Perspektive. Die ist in unserer weiter aufstrebenden Agentur freilich vorhanden, aber Chefin kann sie halt nicht werden, solange Nico und ich die Zügel weiter so fest in der Hand haben. Vielleicht geht es um Migration, denn Paula, von uns Pauli genannt, hat zu 100 Prozent polnische Vorfahren. Vielleicht geht es um Anerkennung, vielleicht um Steigerung des Bekanntheitsgrades, vielleicht um das Reisen, vielleicht um den Standort Berlin. Vielleicht, vielleicht, vielleicht …

Letztlich ist es ja auch egal. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt. Und wer darf das jetzt ausbaden? Dreimal darfst du raten, liebe ständig wachsende Fangemeinde. Genau: die Ersatzeltern. „Wer preist sich denn immer als Bürgermeistermacher?“, hat sie im Turm in die Runde geschmissen: „Da könnt ihr jetzt mal zeigen, was ihr drauf habt.“ Schließlich hätten wir ja knapp acht Jahre Zeit, sie ins Amt zu bringen. Dann will sie Kanzlerin sein. Egal, ob Olaf dann noch mal antritt oder nicht. Wenn er es bis dahin noch ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

In der Tat haben wir ja schon den einen oder anderen Bürgermeister-Wahlkampf gewonnen. Aber Bundeskanzlerin ist dann noch mal ne andere Nummer. Politisch ist sie bislang eher unbeleckt – man könnte auch sagen: Sie hat keine Ahnung. „Nicht mein Problem, Papas“, hat sie gesagt: „Dafür habe ich ja euch.“

„Die kann Kanzlerin“, habe ich zu Nico gesagt: „So wie sie jetzt Druck auf uns aufbaut, wird sie später auch mit ihren Leuten in Partei und Kanzleramt umgehen.“ Und Nico hat geantwortet: „Wenn wir das mit Paula geschafft haben, kannst du beruhigt in Rente gehen, Steffelé. Und ich endlich Bücher schreiben.“

Und weil jetzt jeder von uns Dreien einen Nutzen in der Pauli-Kanzlerschaft gefunden hat, ist der Ehrgeiz freilich noch mal gestiegen. Was haben wir seitdem getan?

  1. Wir haben ihr eine eigene Geste analog zur Merkel-Raute verschafft. Sie hat die Arme über dem Kopf und formt mit den Händen ein Herz. Das ist deutlich markanter und hat den Vorteil, dass man daraus einen kompletten Gruß unter allen Pauli-Fans kreieren kann. Apropos (St).-Pauli-Fans: Ich freue mich schon darauf, wenn das komplette Stadion am Millerntor die Spiele mit Herz-Geste über dem Kopf verfolgt.
  2. Wir haben ihre Erscheinung verseriöst. Operativ wurden ihr die Kontaktlinsen entfernt. Stattdessen trägt sie nun eine Brille mit richtig großen Gläsern. Sie wirkt jetzt echt erwachsener. Und wir werden ihr in den kommenden Jahren bis zur Wahl noch ein paar Falten verschaffen. Dessen könnt ihr sicher sein.
  3. Pauli wird ja bekanntlich von ihren Freunden Dutt-Paula genannt. Man könnte meinen, das liege an ihrer Frisur. Deswegen steht auch schon der Slogan: Der Dutt für Deutschland.

Innerhalb kürzester Zeit haben wir dann doch schon einiges geschafft. Und weil ein probates Wahlkampfmittel die Hausbesuche sind, werden wir sie ab Januar 2022 durch ganz Deutschland schicken, um um Stimmen zu werben und die Fangemeinde wachsen zu lassen. Dann müsste sie in acht Jahren eigentlich durch sein.

Nico und ich freuen uns schon auf die Pauli-Dankesrede nach der Vereidigung im Jahr 2029. Diese wird übrigens unser letzter öffentlicher Auftritt. Denn Nico schreibt dann Bücher. Und ich bin in Rente. Beide als die Kanzlerin-Macher.

Neuester Blogbeitrag