Film ab für ein tränenreiches Wochenende 

Du weißt ja schon wirklich viel über mich, liebe ständig wachsende Fangemeinde. Aber vielleicht ist dir entgangen, dass ich mal Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert habe. Ich fand schon immer alle drei Bereiche interessant, habe mich aber relativ schnell nach meinem Studium dazu entschieden, in der Medienbranche Fuß zu fassen. Wäre ich Regisseurin geworden, hätte ich an diesem Wochenende definitiv genug Material gesammelt, um meinen ersten Film zu drehen. Er würde den Titel „Und dann kam alles anders als gedacht“ tragen und zum Genre Drama gehören.

Von Paula Mainusch

Was du sicher schon weißt, ist, dass ich Trainerin einer Tanzgruppe bin, die von Januar bis Mai durch ganz Deutschland tourt. Am Wochenende standen die Deutschen Meisterschaften an – das Highlight jeder Saison. Mit rund 50 Aktiven hatten wir uns am Freitagmittag auf den Weg nach St. Katharinen gemacht, begleitet von schönstem Sonnenschein. Die Stimmung war also entsprechend gut.

So auch die Lage vor der Meisterschaft. Wir hatten nämlich beste Chancen, uns für die anstehende Europameisterschaft in Holland zu qualifizieren. Die ganze Saison über waren wir Dritter. Und wir sind davon ausgegangen: Selbst wenn wir auf der DM den vierten Platz erreichen, dürfen wir automatisch an der EM starten, weil unsere Gegner sich bereits eine sogenannte EM-Card ertanzt hatten. So stand es jedenfalls auf der Homepage unseres Verbandes.

Wäre das hier ein Film, würdest du Schnittbilder von lachenden Sportlern sehen, die ein gutes Wochenende haben, herumtanzen und die Gemeinschaft genießen. Und dann würde die Kamera an die Gesichter von zwei ahnungslosen, gutgelaunten Trainerinnen ranzoomen. 

Unsere Tänzer brachten einen nahezu fehlerfreien, meisterschaftswürdigen Durchgang auf die Bühne. Meine Freundin Carina, ebenfalls Trainerin, und ich gingen also voller Stolz zu unserem Team, um die Wertung entgegenzunehmen. Du musst wissen, dass Carina und ich seit mehr als zehn Jahren die Hauptklasse trainieren. Anfang des Jahres haben wir uns dazu entschieden, das Turnier-Trainer-Amt niederzulegen. Jeden Moment dieser Meisterschaft saugten wir also in uns auf. Mit allen Emotionen fieberten wir mit. Deshalb war uns die überraschende Wertung auch direkt im Gesicht anzusehen: Wir wurden auf den vierten Platz gesetzt – unerwartet, aber als faire Sportler nimmt man das Ergebnis an. 

Jetzt würde im Film eine weitere Protagonistin auftauchen, die während der Wertungsverkündung hektisch im Handy scrollt, dann Anlauf nimmt und zu Carina und mir rennt, um folgenden Satz zu sagen: „Wir sind raus. Die Hauptklasse hat sich nicht für die Europameisterschaft qualifiziert.“

Carina und ich hatten sofort Tränen in den Augen und fragten uns, wie das denn sein kann? Auf der Homepage stand doch klipp und klar, dass sich unsere Gegner bereits ihren EM-Startplatz gesichert hatten, sodass wir automatisch nachrücken könnten?

Jetzt der Plot-Twist: Noch während der Siegerehrung stellte sich heraus, dass genau diese Meldung ein Druckfehler war. Unsere Gegner haben sich nie die EM-Card ertanzt, es stand nur fälschlicherweise so auf der Homepage. Die Situation war nicht nur übel, sondern auch ärgerlich: Wir hatten für die Europameisterschaft ja schon jegliche Unterkünfte und Busfahrten gebucht.

Jetzt würde die Kamera filmen, wie ich völlig fertig zu den Tänzern auf die Bühne zur Siegerehrung renne, um ihnen zu sagen, dass wir raus sind. Und dann würde die Kamera etwa 15 weinende Gesichter einfangen, die alle traurig sind, weil sie nicht wussten, dass sie an dieser Deutschen Meisterschaft ein allerletztes Mal auf der Turnierbühne stehen würden. Drama pur!

Nach diesen Schocknachrichten ging es dem gesamten Team samt Trainern echt bescheiden. Ich hab mal zurückgeblickt: Von Samstag, 22 Uhr, bis Montag, 13 Uhr, habe ich bestimmt 23 Mal Tränen vergossen. Aber kampflos aufgeben wollten wir nicht! Also haben wir Kontakt zum Verbandspräsidium aufgenommen … 

Und wie es sich für einen guten Film gehört, der Potenzial für einen zweiten Teil hat, würde er mit einem großen Cliffhanger enden. In den letzten Minuten des Films würdest du ein Telefon sehen, das um 21:34 Uhr klingelt und dann würdest du sehen, wie eine kleine, letzte Träne meine Backe runterkullert. Ende!

Mit diesem Cliffhanger beende ich den Blogtext. Ob wir jetzt mit der Hauptklasse zur Europameisterschaft fahren oder nicht, würdest du dann im zweiten Teil von „Und dann kam alles anders als gedacht“ erfahren. Aber das hier ist ja kein Film, und ich zum Glück keine Regisseurin, sondern eine Trainerin, die sich nun darauf freut, am Sonntag mit ihrem Team bei der Europameisterschaft in Holland anzutreten. Es hat also doch noch geklappt – juhuuu!

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