Piccolos gegen den Fersensporn

Ich war im Urlaub, liebe ständig wachsende Fangemeinde. In der Sonne des Mittelmeeres habe ich die Seele ein wenig baumeln lassen, den ein oder anderen Cocktail geschlürft und den Flair spanischer und französischer Städte in mir aufgesogen. Ist ja eine feine Sache, denkst du dir jetzt vielleicht. Was aber, wenn ich dir sage, dass ich diese schöne Mittelmeer-Kreuzfahrt mit meinem Freund, meinen Eltern und meinen Schwiegereltern in spe angetreten habe? Das, wovor Steffen mich wochenlang gewarnt hatte, habe ich mich getraut. Es war eine prickelnde Reise. Wortwörtlich. 

Von: Paula Mainusch 

Für diese Geschichte brauchst du ein wenig Vorwissen. Joni W. (Datenschutz!) und ich sind ein Paar und mögen es, gemeinsam zu verreisen. Seine Eltern und meine Eltern finden Ausflüge in ferne Länder ebenfalls spitze. Joni mag meine Eltern, und ich mag seine Eltern. Das Nonplusultra ist, dass meine und seine Eltern sich ebenfalls sehr gut verstehen. So weit, so gut. Und so kam am Weihnachtstisch vor zwei Jahren die Idee auf, wir könnten doch alle gemeinsam wegfahren. „Bingo“, prustete ich los – wohlwissend, dass alle Familienmitglieder den ein oder anderen Glühwein intus hatten und hoffend, dass diese Idee im Sande verläuft. 

Ein Jahr später – also quasi Weihnachten 2023 – saßen wir dann alle gemeinsam auf dem Sofa und planten, wer in der Zeit, in der beide Familien weg sind, die Blumen gießt. So viel dazu. Mein Vater meinte es also wirklich ernst. 

So auch meine Mutter. Sie fragte mich einige Tage vor Urlaubsstart, ob ich Piccolos im Kaufland kaufen könne. Die wären im Angebot. „Piccolos?“, dachte ich, „die habe ich noch nie zum Anfang einer Reise getrunken. Nicht mal im Flieger nach Malle“. Auf die Gefahr hin, dass sich jetzt einige mit meiner These ertappt fühlen, sage ich dir: Diese kleinen und süßen Sektflaschen mit ihrem prickelnden Inhalt sind für Personen im Alter meiner Eltern anscheinend Allheilmittel. Das habe ich gelernt. Beispiele dafür sind während der Reise zuhauf entstanden. 

Joni konnte auf dem Weg nach Italien im Bus nicht schlafen. „Trink doch einen Piccolo!“, kam es aus einer Ecke. Mein Vater, BVB-Fan, und Jonis Vater, Bayern-Fan, diskutierten auf der Busfahrt lautstark über die jüngsten Fußballspiele. Nachdem beide bemerkten, dass sie bei diesem Gespräch nie auf einen Nenner kommen werden, stießen sie – wie sollte es auch anders sein – auf diese Erkenntnis mit einem Piccolo an. War das Fußballthema beendet, ging es mit dem nächsten Leidthema weiter: Mein Vater berichtete von seinem Fersensporn, der ihn seit Monaten umtreibt. „Dagegen hilft gewiss der ein oder andere Piccolo“, ertönte es lächernd aus einer anderen Ecke. 

Du merkst: Die Themen waren während der Reise mindestens so trocken wie der Sekt, mit dem wir die Busfahrt über anstießen. Und ja: Vielleicht klammere ich mich jetzt an diese Piccolo-Geschichte, um dir nicht erzählen zu müssen, wie die Reise wirklich war. 

Nur so viel: Rückblickend gab es so einige Situationen, in denen ich mir diese kleine prickelnden Sektflaschen herbeiwünschte – teils, um mein Gemüt zu erheitern und teils, um mein bereits erheitertes Gemüt aufrecht zu erhalten. Ob es in dieser Konstellation noch einen Urlaub geben wird, entscheiden wir nächstes Weihnachten. Das gemeinsame Familienfest wird auf alle Fälle auch nach dieser Reise noch stattfinden. Davon gehe ich aus. Und dreimal darfst du raten, welches Getränk wir während den Gesprächen über Fersensporn oder Fußball in der Hand halten werden. 

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