Ich war dann mal weg!

Nico Bensing ist den Jakobsweg gelaufen. Und es hat ihn ganz schön berührt.

Liebe stetig wachsende Fangemeinde – ich weiß, du hast mich arg vermisst. Das verstehe ich, ich war ja schließlich ganz schön lange weg. Ich hab dich auch vermisst! Jetzt bin ich zurück! Von wo, fragst du? Ich bin den Jakobsweg gelaufen. Es war eine ganz besondere Reise. Und obwohl ich noch nicht alles verarbeitet habe und einordnen kann – eines jedenfalls weiß ich: So hätte ich den „Camino“ genannten Weg nicht erwartet. Nie. Und. Nimmer. Deshalb plaudere ich jetzt mal ein wenig aus der Erinnerungskiste. Damit könnt ihr sicherlich einiges anfangen, falls ihr vorhabt, den Jakobsweg einmal selbst zu laufen.

Von Nico Bensing

Erst einmal die Fakten: Es gibt mehrere Jakobswege. Meiner führte mich und meinen alten Spezi Jens aus dem portugiesischen Porto bis zur imposanten Kathedrale nach Santiago de Compostela in Spanien. Insgesamt 280 Kilometer haben wir laut Zertifikat (ja, das bekommt man am Ende der Reise) in den Beinen. Etliche Menschen haben wir kennengelernt, etliche Orte besucht und auch wieder verlassen. Etliche Gespräche geführt. Und eines kann ich sagen: Ich hätte nicht erwartet, dass mich diese zwei Wochen so nachhaltig packen würden.

Dazu wäre es vielleicht hilfreich zu wissen, was ich überhaupt erwartet hatte. In Kurzform: Nach Porto fliegen, 280 Kilometer wandern, von Santiago nach Hause fliegen. Zurück in den Alltag.

Nun, so kam es nicht. Viele Leute sagten mir, der Weg sei eine lebensverändernde Erfahrung – spirituell und emotional. Ich dachte: Jo. Übertreibt mal nicht. Schließlich gehen wir einfach nur wandern.

Dieses Wandern war vor allem zu Beginn äußerst schmerzhaft. Gerade der dritte und vierte Tag waren für Jens und mich dermaßen die Hölle, dass wir ernsthaft daran zweifelten, diese Pein noch weitere 220 Kilometer überstehen zu können. Und gerade als die Hoffnung am geringsten war, trat ein Belgier auf den Plan, der uns sagte: „Ich weiß, wovon ihr sprecht. So ging es mir vergangenes Jahr. Tag drei und vier sind die schlimmsten. Aber das geht vorbei. Und wenn ihr dann in Santiago ankommt, geht es euch körperlich so gut, dass ihr noch locker 200 Kilometer weiter laufen könntet. Versprochen!“

Ich muss gestehen: Genauso wie ich den Leuten vorher nicht glaubte, die mir von einer lebensverändernden Erfahrung erzählten, glaubte ich auch dem Belgier nicht. Und ich sollte Recht behalten, zumindest vorerst: Am Tag darauf taten unsere Füße dermaßen weh, dass wir – und jetzt liest du ein Geständnis – nicht den exakten Jakobspfad wanderten, der sich immer wieder um die Hauptstraßen herum schlängelt, sondern einfach plump neben den Lastern her liefen. Ja, liebe Fangemeinde, ich weiß: Das Zertifikat haben wir nicht verdient. Aber weißt du was: Wir haben’s trotzdem.

Natürlich sind wir andererseits aber auch nicht immer den kürzesten Weg gelaufen, sondern haben hier und da mal einen kleinen Umweg genommen: Man könnte quasi sagen, dass wir hin und wieder den Jakobspfad vermessen haben, so intensiv sind wir ihn von der einen zur anderen Seite abgelaufen. Die Landschaft ist zeitweise einfach wunderschön. Und damit hätten wir das Zertifikat dann doch wieder verdient, oder?

Und je mehr man läuft, desto mehr bekommt man das Gefühl, dass dieser Weg doch etwas Besonderes an sich hat. Es passieren Dinge, die vielleicht auch ohne den Jakobsweg hätten passieren können, aber man wird das Gefühl nicht los, dass sie es nicht wären. Und dann irgendwann geschieht etwas auf dem Weg, von dem man direkt weiß: Das ändert die Dinge. Und so kam es auch bei mir. Das kann ich dir verraten, liebe Fangemeinde. Und: Das ist auch okay.

Der größte Moment aber kam zum Schluss: Als wir nach 14 Tagen endlich in Santiago ankamen und den großen Platz vor der Kathedrale betraten, war es wirklich um mich geschehen: Ich musste heulen. Gott weiß, dass ich kein Kirchengänger bin. Und dennoch hatte dieser Augenblick etwas derart Magisches und Göttliches, dass ich Tränen der Rührung verdrücken musste. Und damit kennst du mein zweites Geheimnis: Ich bin voll sensibel, liebe Fangemeinde.

Was halten wir fest: Nicht nur die vielen Leute, die mir vorher verrückte Dinge über den Jakobsweg erzählt hatten, sollten Recht behalten, sondern auch der Belgier. In Santiago ging es uns so gut, dass wir noch locker ein paar Hundert Kilometer hätten weiterlaufen können.

Sind wir aber nicht. Ich hab dich schließlich zu sehr vermisst, liebe Fangemeinde. Genauso wie meinen lieben Kollegen Steffen, der mich doch tatsächlich mit einer Umarmung empfangen hat. Schön.

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